Geschichten
© Luzy_Schroeder
Erdbeerflatrate
An diesem Schild bin ich schon oft vorbeigefahren. Es gibt ja inzwischen für fast alles eine
Flatrate … aber für Erdbeeren?
Heute war ich mit meinem Bruder unterwegs, er sah kistenweise Erdbeeren und Spargel (eine
klasse Kombination!) und bekam unbändigen Appetit auf Erdbeeren. Nun ja, die Erdbeeren in
den Kisten sahen nicht besonders reif aus und mir fiel das Schild wieder ein.
„Weißt Du“, sagte ich, „lass uns Erdbeeren pflücken gehen. Ist zwar mühsam, aber die
Erdbeeren sind frisch und wir brauchen ja nur die knallroten zu pflücken“.
Gesagt, getan.
Wir fuhren den Schildern nach und bekamen einen gewaltigen Schrecken.
Autos wohin wir guckten. Etliche Einweiser standen herum und winkten uns in eine weit
entfernte Parklücke. Wir liefen an riesigen Erdbeerfeldern entlang zu der Pflückstation.
Dort lasen wir, dass die Erdbeeflatrate beinhaltete, dass man den ganzen Tag pflücken konnte,
soviel man wollte. Eimer- und kistenweise wurden die Erdbeeren zu den Autos geschleppt,
verstaut und sofort machte man sich mit weiteren Eimern wieder auf den Weg.
Für Normalpflücker sollte ein Korb voll Erdbeeren mit ca. 2,5 kg 6,00 Euro kosten.
Also nahmen wir uns erst einmal nur einen kleinen Korb und waren willens, nur reife Erdbeeren
zu suchen. Von den riesigen Feldern waren nur ein paar Reihen zum Selbstpflücken
freigegeben. Ein Blick auf die Menschenmasse in dem kleinen abgesperrten Gebiet machte
mir wenig Mut.
„Das wird mühsam“ sagte ich zu meinem Bruder.
Der fragte einen herumstehenden Einweiser, ob es denn in den Reihen noch Erdbeeren gäbe
und wurde angefratzt:
„das sehen Sie doch, es gibt Erdbeeren in Hülle und Fülle!“
Das stimmte zwar, aber die Erdbeeren in gefüllten Eimern sahen alle noch ziemlich unreif
aus.
„Naja, das ist hier so“, sagte eine Pflückerin. „Ich zermuse sie sowieso, da ist es egal“.
Unschlüssig standen wir Beide herum und schauten den Menschen zu. Irgendwie war uns der
Appetit vergangen, zum Teil auch wegen dem sehr unfreundlichen Einweiser.
Wir gingen zurück, legten die Körbe wieder in den Wagen und fuhren weiter.
Unterwegs kamen wir an einer kleineren Plantage vorbei, die einen Verkaufsstand am Feld
hatte. Wir hielten, kauften uns einen Korb Erdeeren (2,5 kg) für 7,50 Euro. Erst vor kurzem
gepflückt und knallrot.
Lachend sagte ich zu meinem Bruder:
„um 1,50 Euro für solche Erdbeeren zu sparen, wären wir wahrscheinlich Stunden auf dem
Acker gewesen“ © Luzy_Schroeder
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Erdbeeren für die Schiffer
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Als Kinder haben wir am Hafen gewohnt. Die Binnenschiffer brachten Kohle und nahmen
Eisenerz wieder mit. Es war ein kleines Dorf, in dessen Hafen sie anlegten.
Wir hatten ein kleines Lebensmittelgeschäft, einen Fleischer und einen Kramladen.
Das war´s. Der nächstgrößere Ort war 15 km entfernt. Heute wäre das keine Hürde, aber
damals hatten noch nicht viele Schiffer ein Auto. Es musste ja auch immer auf dem Schiff
geparkt werden, wenn die Fahrt wieder ins Ruhrgebiet ging.
Und die Zeit war auch knapp. Entladen, weiterfahren, beladen und weg.
Im Dorf hatten fast alle Familien einen Garten. Meine Familie hatte einen riesengroßen, fast
schon ein Feld. Und Mutter war sehr geschäftstüchtig. Sie pflanzte Erdbeeren in Massen. Oh
… wie mein Bruder und ich die gehasst haben!
Ewig Unkraut zupfen, hacken und pflücken. Es gab morgens, mittags, abends Erdbeeren in
allen Variationen zu essen. Gott sei Dank bekam ich eine Allergie dagegen und sah selber
bald aus wie eine Erdbeere.
Die übrigen Erdbeeren wurden in kleine Körbchen gepackt und mein Bruder und ich wurden
in den Hafen geschickt. Wir sollten die Erdbeeren an die Binnenschiffer verkaufen. Das hieß,
auf die Schiffe gehen, die Schiffer suchen und fragen. Puh war mir das unangenehm.
Verkaufen war nicht so mein Ding. Mein Bruder konnte das besser. Er brachte alle Erdbeeren
an den Mann bzw. die Schiffersfrau.
Und wie die sich freuten! Frische Erdbeeren, direkt aus dem Garten. Sie konnten gar nicht
damit fertig werden, daran zu schnuppern und zu naschen. Bevor das Geld herausgekramt
wurde, war schon fast das Körbchen leer.
Wann wir denn wiederkämen?
Morgen früh?
Nein, das ging nicht, wir mussten ja zur Schule.
Aber morgen Mittag wären wir wieder da.
Am nächsten Mittag standen schon viele Frauen auf den Schiffen. Alle wollten Erdbeeren.
Wir mussten nicht mehr fragen. Manche hatten sogar Angst, keine mehr zu bekommen und
kamen direkt zum Garten.
Manchmal bekamen wir auch Trinkgeld, das wurde sofort in Lakritzschnecken umgesetzt.
Und dank der Nachfrage, kamen auch weniger Erdbeeren auf den Tisch.
Es hat übrigens Jahre gedauert bis ich anfing, freiwillig Erdbeeren zu essen. Heute habe ich
selbst einen kleinen Garten und gucke immer nach, wann meine Erdbeeren reif sind. Ich habe
aber nur 10 Pflanzen, damit es ja kein Erdbeerüberfluß-Problem gibt.
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Wie kommen die Erdbeeren in den Erdbeerstand?
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Meine Erdbeeren kaufe ich meist an einem der Erdbeerstände, die zahlreich in der Saison bei
uns hier rumstehen. Selten in einem Geschäft oder Discounter. Dort sind sie zwar billiger,
aber sie schmecken nicht so gut und es sind viele faule Früchte dabei. Kein Wunder, die
Erdbeeren dort sind meist 2 – 3 Tage alt.
Ehrlich gesagt, so bei den ersten Erdbeeren kann man sich schon mal bei dem Preis
erschrecken. Dies war schlagartig vorbei, als ich einmal die Gelegenheit hatte, einen
Erdbeerhof zu besichtigen.
Es war ein kleinerer Erdbeerhof, mit 4 verschiedenen Erdbeersorten, um den Saisonverkauf
zu verlängern. Es werden 40 ha Erdbeeren angebaut. Es gab keine großen Folienhäuser und
auch keine automatische Bewässerung. Ein großes Risiko in unseren Breitengraden.
Dass das Pflanzen, Unkraut hacken, Stroh unter die Erdbeeren legen (damit sie nicht
verfaulen) und die Kontrolle viel Arbeit machen, konnte ich mir schon denken.
Was mir nicht klar war, dass zur Saison für die Felder ca. 300 Saisonkräfte benötigt werden.
Für die Pflücker müssen meist noch Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden.
Das Wetter wird genau beobachtet. Da es bei Sonnenaufgang am kältesten ist, rennen bei
Frostgefahr alle verfügbaren Kräfte auf das Feld und decken die Pflanzen mit Folie ab.
Sobald es wärmer wird, muss die Folie wieder entfernt werden, damit die Bienen die
Möglichkeit haben, die Pflanzen zu befruchten. Bei 40 ha ist das schon ein Angehen und
klappt auch nicht immer. Manchmal kommt der Frost sehr überraschend, wie wir im April
gesehen haben. Sowie die Blüten kleine schwarze Punkte aufweisen, ist die Pflanze
unbrauchbar, sie ist erfroren.
Nun, aber auch dieses Jahr wurden die Erdbeeren reif. Die gepflückten Früchte werden schon
von den Pflückern in Schalen gelegt (nicht geworfen!), damit sie nicht umgepackt werden
müssen. Jede Druckstelle soll vermieden werden. Im Hof werden sie grob nachgewogen und
dann an die bereitstehenden Erdbeerverkäufer verteilt. Je zwei Leute teilen sich einen
Erdbeerstand. Sollte der Bestand im Laufe des Tages knapp werden, stehen Fahrer für die
Nachlieferung bereit.
Es dauert seine Zeit, bis sich alles eingependelt hat, am Anfang herrscht sehr viel Chaos.
Davon sehen die Menschen aber nicht viel, die ihre Erdbeeren an einem Erdbeerstand kaufen.
Geduldig wird Ihnen Auskunft über die Sorten erteilt, die Käufer dürfen probieren und jede
Schale wird großzügig nachgewogen. Sollten nicht alle Erdbeeren verkauft werden, kann man
sie am nächsten Tag zum halben Preis erwerben … zum Marmelade kochen.
Na gut … genug geredet, ich guck jetzt mal um die Ecke zum Erdbeerstand ;-)
© Luzy_Schroeder
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